Was passiert beim Keimen?

Grüner leben mit frischen Sprossen

 

Bei den Chinesen sind Sprossen weder aus der traditionellen Volksmedizin noch aus der (Wok-)Küche wegzudenken. In den USA wächst die Gemeinde begeisterter Sprossenzüchter ständig und auch in Europa beginnen immer mehr Menschen, den hohen Nähr- und Gesundheitswert von frischen Sprossen zu entdecken.

Gerade im Winter sind die zarten Pflänzchen eine ausgezeichnete Alternative zum Treibhausangebot und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit als frische, vollwertige Lebensmittel. Sprossen sind die wahrscheinlich hochwertigsten Lebensmittel, die es gibt, und ein Paradebeispiel für ganzheitliche Naturprodukte.

Sie werden als Lichtnahrung und Sonnenkost bezeichnet, als holistische Lebensnahrung, als Pflanzennahrung pur, als Vitalstoffdepot. Trotzdem: selbst in der Vollwertküche spielen Sprossen immer noch eine (zu) kleine Rolle und noch viel zu wenig Menschen machen Gebrauch von den unbestreitbaren gesundheitlichen Vorteilen der Do-it-yourself-Rohkost.

 

1. Sprossen machen Karriere  

Nach den Nüssen und Kernen erklimmen langsam auch die knackig-gesunden Keimlinge die Erfolgsleiter in der Gastronomie – zumindest als abwechslungsreiche Salatzutat. Auch in den Kühlregalen der Läden findet sich ein zunehmend breiteres Angebot an Sprossen und Keimlingen in Fertigpackungen, die übrigens im Gegensatz zu frischem Gemüse und Obst ein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen müssen.

Rettich, Kresse, Zwiebeln, Alfalfa (Luzerne) werden angeboten, sobald die grünen Keimblätter ausgebildet sind. Linsen und Weizen sowie andere Getreide und Bohnenarten werden nur soweit gekeimt, bis der Samen aufspringt und der Spross sichtbar wird. Soja oder Mungbohnen werden kultiviert, bis die Sprossen kräftig ausgebildet sind.

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2. Keime, Sprossen und Grünkräuter  

Hält man Getreidekörner oder andere Samen feucht, quellen die Schalen auf, platzen, und sichtbar wird der erste Trieb der neuen Pflanze (Keim, Keimling). Er ist weiß, weil er noch kein Chlorophyll, keinen Pflanzenfarbstoff, besitzt. Im nächsten Wachstumsstadium, etwa vier Tage nach Keimbeginn, spricht man meist von Sprossen.

Das sogenannte Grünkraut oder Gras (man denke nur an den Saft aus Gersten oder Weizengras) wächst in zwölf und mehr Tagen heran, hat schon eine beachtliche Blattentwicklung hinter sich und die Nährstoffe sind schon wieder relativ komplex geworden.

 

3. Keimlinge: noch viel besser als Samen

Damit der Keimling ans Licht der Welt drängt, wird lediglich etwas Licht, Feuchtigkeit, eine bestimmte Temperatur und genügend Luft benötigt.

Sprossen können aus den Samen von Gemüse, Getreide, Nüssen, Hülsenfrüchten oder Gewürzen gekeimt werden. Im Vergleich zum ungekeimten Samen bieten Keimlinge eine ganze Reihe von Vorteilen. Da Samen in der Natur normalerweise Monate liegen, ehe sie im Frühjahr zum Leben erwachen, sind die Nährstoffe (Kohlenhydrate, Protein, Enzyme, Fettsäuren und anderes mehr), welche der Pflanzenkeim zu seiner Entwicklung braucht, in einer komplexen, stabilen und damit lange haltbaren Form gespeichert.

Durch die Ab-, Um- und Aufbauvorgänge, die während des Keimprozesses ablaufen, werden diese Substanzen zu sehr leicht verwert- und assimilierbaren Vitalstofffen umgewandelt und zusätzlich mit Vitaminen, Enzymen, Hormonen, und vielen Wachstumsfaktoren angereichert, wogegen wachstumshemmende Substanzen wie Phytinsäure abgebaut werden.

Im weiteren Verlauf des Keimungsprozesses bilden sich dann wieder neue Verbindungen wie etwa Chlorophyll, Cellulose, neue Enzyme, neue Pflanzenhormone und verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe.

4. Das passiert beim Keimen

Während der Keimung vermehren sich innerhalb weniger Stunden die Enzyme und wandeln Stärke in Zucker (Maltose, Dextrin) um.

Eiweiß wird in seine Bausteine zerlegt, Fette in Fettsäuren und lösen Mineralstoffe. Besonders enorm ist die sprunghafte Neubildung von Vitaminen: z.B. steigt der Gehalt an Karotin in Weizenkörnern nach 20 Stunden Keimdauer durchschnittlich um 190 Prozent und der von Vitamin B2 nach 12 Stunden um 50, in Alfalfa nach vier Tagen sogar um 1000 Prozent.

Veränderungen nach dem Keimvorgang

             Aufgrund der Aufnahme großer Wassermengen sinkt der Kaloriengehalt des Keimgutes pro Gewichtseinheit deutlich. Der Fettgehalt reduziert sich je nach Pflanzenart um 10 bis 60 Prozent. Der relative Eiweißgehalt erhöht sich um 20 Prozent und die Qualität der Proteine (die Zusammensetzung der Aminosäuren) verbessert sich.

             Der Vitamingehalt (insbesondere bei der B-Gruppe und C) steigt deutlich an. Der Mineralstoffgehalt nimmt zu. Der Ballaststoffgehalt erhöht sich. Die Bekömmlichkeit von Hülsenfrüchten wird stark verbessert, blähungsverursachende Kohlenhydrate werden in hohem Masse abgebaut. Wer von rohem Getreide Blähungen bekommt, sollte die Körner keimen lassen. Denn mit den Sprossen aus denselben Körnern hat man dieses Problem nicht mehr! Das Keimen nimmt den Körnern den Wind aus den Segeln!

             Beim Keimen nimmt die Verbesserung der Nutzbarkeit (Bioverfügbarkeit) der Mineralstoffe und Vitamine im Darm zu. Zum Beispiel durch den Abbau der im Getreide natürlich enthaltenen Phytinsäure. Denn diese bindet zahlreiche Wirkstoffe unlöslichm an sich, welche somit nicht ins Blut aufgenommen werden können.

Sprossen sind also in den ernährungsphysiologischen und gesundheitsbestimmenden Eigenschaften ihren Samen, aber oft auch den ausgewachsenen Artgenossen weit überlegen.

 

5. Sorgfalt bei der Zubereitung

Bei der Zubereitung von Sprossen sollte besonderer Wert auf Sauberkeit gelegt werden.

In manchen Hülsenfrüchten finden sich neben sogenannten Trypsininhibitoren, die die Eiweißverdauung beeinträchtigen, auch Hämaglutinine, die in größeren Mengen die roten Blutkörperchen zum Verklumpen bringen. Um diese gesundheitlichen Risiken von vornherein auszuschalten, sollten Sprossenliebhaber die Keimlinge speziell von Sojabohnen, Kichererbsen und Erbsen vor dem Verzehr blanchieren. Die anderen Sprossensorten können unbedenklich roh gegessen werden.

Weil selbst bei sorgfältiger Zucht und schnellem Verzehr nie hundertprozentig auszuschließen ist, dass die Sprossen keinerlei Keime enthalten (was ist in unserer Umwelt schon völlig keimfrei?), sollten geschwächte Senioren, kleine Kinder und Menschen mit einem angeschlagenen Immunsystem Keime und Sprossen vor dem Verzehr als Rohkost blanchieren: eine Minute in die doppelte Menge heißes Wasser geben, abtropfen und sofort essen.

6. Knackiges Kraftfutter

Ideale Ernährung für Wachstum, Regeneration und und Sport

Keime und Sprossen mit ihren Inhaltsstoffen wie Proteine, Peptide, Aminosäuren, Antioxidantien, Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Enzyme, Polyphenole, Phytohormone und verschiedensten sekundären Pflanzenstoffen gelten als ideale Ernährung für Wachstum (Kinder und Heranwachsende), Regeneration (Zellaufbau und Zellerhalt, Anti-Aging), Genesung (Nähr- und Gesundungsmittel), Vitalität und allgemeine Leistungsoptimierung (Sport, Beruf).

Soja-, Alfalfa- und Bockshornkleesprossen sind bei  Hochleistungssportlern, Senioren und allen Menschen, die Zellaufbau und Zellerhalt im Visier haben, als «Aufbaunahrung» sehr beliebt. Wenn es überhaupt Anti-Aging-Nahrung oder eine Frischzellen-Kur gibt, dann liegt sie bei den Sprossen vor. Doch ganz abgesehen davon, dass frische Sprossen ausgezeichnet schmecken und so manches gewohnte Gericht neu aufpeppen, sind sie pure Kraftpakete, denn sie gehören zu den am höchsten konzentrierten Quellen für Vitamine, Mineralien, Enzyme und Proteine.

Natürlich profitieren auch Kinder und Jugendliche von dem hohen Anteil an pflanzlichem Eiweiss (Protein), denn eine bessere «Wachstums-Nahrung» wird man kaum finden.

Getreidesprossen (Gerste, Hafer, Hirse, Roggen, Weizen) sowie Buchweizen- und Leinsamensprossen sind als Super-Energizer, als direkter, extrem leicht und schnell verfügbarer Energielieferant, insbesondere bei Ausdauersportlern, aber auch bei gestressten «Kopfarbeitern» angesagt.

Kinder und Jugendliche können von diesen Sprossen bezüglich ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung sowie für die Konzentration in der Schule profitieren. Brokkolisprossen sind derzeit in USA die wohl berühmtesten Sprossen. Die ihnen nachgesagten krebsvorbeugenden Eigenschaften, die bei Sprossen 20 mal höher als in der ausgewachsenen Pflanze sein sollen, machen diese Sprossen zum Gesundheitsrenner.

 

7. Einfach selber machen

Wer Sprossen züchtet, verfügt jederzeit über das frischeste, wertvollste und billigste Gemüse.

Denn im Prinzip ist das Ziehen von Keimen und Sprossen ein recht einfacher Prozess, der allerdings etwas Liebe und Sorgfalt und die Beachtung hygienischer Regeln verlangt. Stimmen dann noch Licht, Luft, Wärme und Feuchtigkeit, kann nichts schief gehen.

Geeignet ist eine grosse Vielfalt an Samen, doch nicht alle sind gleichermaßen pflegeleicht. Für Einsteiger bieten sich vor allem Samen von Mungbohne, Kresse, Alfalfa oder Radieschen an. Sprossenzüchtern wird immer wieder der Rat gegeben, es mit in jedem Haushalt vorrätigen Utensilien zu versuchen. Am sichersten und praktischsten sind jedoch die im Handel erhältlichen Keimgeräte, die es in allen Größen und für alle Ansprüche gibt (und denen meist auch ausführliche Zucht-Anleitungen und Rezepte beiliegen).

 

 

8. Welche Samen?

Grundsätzlich eignen sich Samen, Kerne und Körner von essbaren Pflanzen zum Keimen.

Nicht geignet sind Samen von Nachtschattengewächsen (Peperoni/Paprika, Tomaten, Kartoffel), die wegen des hohen Gehalts an Solanin im Keimlingsstadium ungeniessbar sind.

Verwenden Sie aber kein für das Aussäen im Garten vorgesehenes Saatgut (ist meist gegen späteren Schädlingsbefall vorbehandelt) und keine für den Verzehr bestimmte Samen oder Körner (haben keine garantierte Keimfähigkeit), sondern nur für die Sprossenzucht vorgesehene Samen aus kontrolliert biologischem Anbau – beispielsweise die Samen von bioSnacky, bei denen es sich um hochkeimfähige, unbehandelte, kontrolliert biologische Naturprodukte handelt, die strenge Qualitätsrichtlinien erfüllen und in Naturkostläden, Reformhäusern und Drogerien erhältlich sind. Für kleinere Haushalte sind auch die vorgefertigten Samen-Mischungen – von mild bis pikant – interessant, die zwei bis drei zueinander passende Samen enthalten.

Als kleines Extra obendrauf  

In der Küche lässt sich das Sprossengemüse sehr vielseitig verwenden. Sowohl die pikanten Sorten wie Radieschen als auch die milderen Alfalfakeimlinge eignen sich als Brotbelag oder Dip und verfeinern jeden Salat, passen zu Suppen sowie Eintöpfen, und erfreuen zudem als Füllung oder Gemüsebeilage jeden Feinschmeckergaumen. Getreidesprossen, welche eher süsslich bis nussig schmecken, harmonieren besonders in Müeslis und Desserts mit den übrigen Zutaten